Die Kellner und ich

Die Kellner und ich

1996, Rowohlt Verlag, Taschenbuch Erstausgabe // 2006, Neuausgabe, Rowohlt Taschenbuch

„Heute ist mein sechsunddreißigster Geburtstag, und ich bin zum dritten Mal von einem Kellner geschieden worden.“ So beginnt die Geschichte von Thea Goldmann, einem frechen, altklugen, rebellischen Kind, das während des Wirtschaftswunders auf der Wunderseite aufwächst.

Der Vater ist rheinischer Wurst- und Babycreme-Fabrikant, die Mutter Star-Mannequin, die Stiefmutter aus Bayern, und Thea kämpft zwischen Neureichenmief und Laufsteg-Glamour tapfer auf verlorenem Posten.

Mit Phantasie, Sprachwitz und sicherem Gefühl für Tempo und Pointen zieht sie eine höchst vergnügliche Bilanz ihrer ersten siebzehn Lebensjahre.

Kritiken

„Das bundesdeutsche Wirtschaftswunder zwischen Köln und Garmisch zerlegt ein böses Mädchen mit Namen Thea… Pia Frankenberg schmeißt nicht mit Lehm, sondern zeigt die Reichen und Mächtigen der Wirtschaftswunderjahre in ihrem eitlen Schwulst. Diesem Buch ist, Gott sei Dank, nichts heilig.”Focus
„… Das Ergebnis ist ein bissiger, mitunter höchst amüsanter Rückblick auf die sechziger Jahre, eine ironische Sittengeschichte der Bundesrepublik unter Adenauer und Erhard. Das Buch erzählt vom innigen Glauben an Wirtschaftswunder und Wohlstand, macht sich über die Lebensleere inmitten treudeutscher Hausbackenheit und bornierte Neureiche lustig, lästert genüßlich über FKK-Anhänger und Medienwichtigtuer. Der Roman gehört zu den Büchern, die unbekümmert zwischen E – und U-Literatur vermitteln. Viele von Frankenbergs Schilderungen sind durchaus komisch geraten, obwohl ihr Blick auf diese Jahre fast grimmig ist – von Nostalgie keine Spur. Diese Zeit, davon ist sie überzeugt, sei für viele Menschen ein emotionales Martyrium gewesen, „eine Zeit widerlicher, verklemmter Triebhaftigkeit“.”Der Spiegel
„Weil ich an den vielgepriesenen pädagogischen Fortschritt nicht glauben mag, wollte ich etwas Exemplarisches über Kindheit schreiben.”Pia Frankenberg
„Man erfährt eine Menge über Eltern-Kind-Beziehungen und über den deutschen Nationalcharakter und wird zugleich bestens unterhalten. Die gewendeten Intellektuellen, die neuerdings unter Selbstanklagen die Errungenschaften der Adenauerrepublik preisen, könnten sich hier über den Schaden aufklären lassen, den die fatale Mischung aus Weichsel-Vätern, Wirtschaftswachstum und vitalem Katholizismus angerichtet hat.”Freitag (Berlin)
„Das Sozialporträt einer Neureichensippe der Nachkriegszeit – mit aasfrechem Witz und kühler Leutebeobachtersprache aufs Damasttischtuch gekleckert.”Münchner Abendzeitung
„Wer über die anarchische Phantasie und den furiosen Sprachwitz der Regisseurin und Drehbuchautorin Pia Frankenberg nicht lauthals lachen kann, hatte wohl eine noch miesere Kindheit.”Journal Frankfurt
„Das Buch ist nicht als eine Art Abrechnung zu lesen. Etwas Kreatives aus Rache zu tun, finde ich absurd und vollkommen unproduktiv. Dafür habe ich einfach keine Zeit.”Pia Frankenberg
„Was Pia Frankenberg über dreihundert Seiten aufzäumt, gerät ihr über weite Strecken zum grandiosen Panorama der Bundesrepublik.”Deutschlandfunk
„Jetzt hat Pia Frankenberg ein Buch geschrieben, das so schön ist wie ihre Filme, liebswert und bös und seltsam komisch.”TAZ
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Die Kellner und ichLeseprobe

Eine Dickmamsell rückt die Stühle vom Tisch ab. Wir schieben uns, wie wir es gewohnt sind, seitlich davor, wackeln unsere Hintern zurecht und lassen uns nieder. Geli weiß nicht, wo sie hintreten soll. Sie weiß auch nicht, wie man richtig mit dem Hintern wackelt, so daß man den Stuhl trifft, wenn man sich setzt. Folgerichtig landet nur Gelis halbe Hinterbacke da, wo sie hingehört, und ein Glucksen entsteigt ihrer Kehle.
Das Ritual nimmt seinen Lauf. Hedi bestellt „pour les enfants“, glücklicherweise kennt der Belgier kein Rahmgeschnetzeltes, dafür aber sehr gut „Sole meunière“. Die Dickmamsell rollt von dannen, wir sind uns selbst überlassen. Es ist nicht ganz klar, was von uns erwartet wird. Hedi und mein Vater könnten jetzt anfangen, sich zu unterhalten, Geli und ich auch. Ist aber schwierig, weil man alles hören kann, was die anderen sagen. Wir starren verlegen aufs Tischtuch. Probehalber fange ich an, ein bisschen zu kichern.
Hedi und mein Vater reden über irgendwelche Leute, die sie kennen, und die nicht mehr so sind, wie sie mal waren, jedenfalls Hedis Meinung nach, und die eigentlich noch nie besonders toll gewesen sind, auch dies Hedis Meinung nach. „Des wird eh nix, des kann I dir jetzat scho sagn, da brauchst dir gar koane Müh net gebn, der hot doch überhaupts koa Chance…“. „Liebschen, dat weiß isch nit, lommer ens sin, vielleisch küt do noch jet, dat weiß mer nie, außerdem is dat ene janz ärmen Kääl, da kann isch doch nit…“. Geli kichert jetzt auch. Alles ist komisch. Die vornehme Umgebung. Die anderen Gäste. Die Dickmamsell. Vor allem die …

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